Generative künstliche Intelligenz bietet einen spannenden Ansatz zur Lösung komplexer Probleme, da sie die Fähigkeit besitzt, natürliche Sprache nicht nur zu verstehen, sondern auch zu generieren. Dank ihrer Fähigkeit, auf das Wissen aus ihrer Trainingsphase zuzugreifen, kann sie ein breites Spektrum an Aufgaben bewältigen und so signifikanten Mehrwert für Firmen schaffen. Dabei sind die Anwendungsfälle vielfältig und reichen von der automatisierten Generierung von Texten bis hin zur Entwicklung intelligenter Web-Apps.
Auf dem IT-Summit by heise stellte Marco Frodl, Principal Consultant für generative KI bei der Thinktecture AG, mehrere praktische Anwendungen vor, die heute bereits die Prozesse und Workflows in Unternehmen mithilfe von KI beschleunigen. Hier finden Sie einige seiner Beispiele und weitere denkbare Optimierungsszenarien.
Smarte Web-Apps automatisieren Formulareingaben
Die manuelle Dateneingabe in Formulare stellt Firmen vor einige Herausforderungen:
- Mitarbeiter benötigen Schulungen für die korrekte Dateneingabe.
- Die Erfassung unstrukturierter oder fehlender Daten verzögert den Prozess.
- In manchen Arbeitsumgebungen behindert die Tastatureingabe den Workflow.
Intelligente Web-Anwendungen mit KI-Unterstützung lösen diese Probleme beim Ausfüllen von Formularen. So sind sie beispielsweise in der Lage, Eingabedaten automatisch mit den passenden Formularfeldern zu verknüpfen. Die Spracheingabe-Funktion beschleunigt die Dateneingabe zusätzlich oder umgeht lästige Zwischenschritte, wenn der Anwendungsfall das manuelle Eintippen unmöglich macht.
Ein kleines Beispiel für so eine Formularhilfe per KI ist der „Smart Form Filler“. Dieses Open-Source-Tool nutzt ein beliebiges, OpenAI-kompatibles Backend, um unstrukturiert vorliegende Daten – etwa aus einer E-Mail – in Browserformulare einzutragen. Alternativ lässt es sich auch ohne direkte Verbindung zu einer großen KI-Instanz nutzen. Dann läuft die Intelligenz rein lokal auf dem Gerät des Benutzers und verwendet entweder WebLLM oder die experimentelle Prompt API von Chrome.
KI-gestützte Datenextraktion arbeitet blitzschnell
Das Auffinden relevanter Informationen in umfangreichen Dokumenten bindet Ressourcen und führt zu Fehlern. Daten lassen sich nur aus Dokumenten extrahiert, deren Sprache der Bearbeiter versteht. Unterschiedliche Strukturen der Quelldokumente und Datenformate treiben den Aufwand und damit die Kosten weiter in die Höhe.
KI-Systeme spielen auch hier ihr Können aus und analysieren selbst komplexe Dokumente zuverlässig. Sie ordnen dabei die gefundenen Informationen automatisch korrekt den gewünschten Zielkategorien zu. Sie beherrschen verschiedene Sprachen und übersetzen die gefundenen Informationen selbstständig in die gewünschte Zielsprache. Dies spart Zeit, minimiert Fehler und entlastet Mitarbeiter von mühseligen Tätigkeiten.
Vertrieb beschleunigt Angebotserstellung
Auch die manuelle Erstellung individueller Angebote kostet Zeit. Vertriebsmitarbeiter müssen technische Details prüfen, Preise kalkulieren und kundenspezifische Anforderungen berücksichtigen. Dies verzögert die Reaktionszeit auf Kundenanfragen.
KI-gestützte Angebotssysteme bewältigen diese Aufgabe mühelos. Sie greifen auf Produktdatenbanken, Preislisten und Kundenhistorien zu, schreiben in Sekunden maßgeschneiderte Angebote und passen Formulierungen automatisch an unterschiedliche Zielgruppen an. Auch hier muss der Input zur Individualisierung keiner Struktur folgen, sondern kann beispielsweise aus Notizen aus dem letzten Kundengespräch oder einer E-Mail bestehen.
Kundenservice optimiert Anfragenbearbeitung
Callcenter kämpfen mit schwankender Auslastung und komplexen Kundenanliegen. Die Einarbeitung neuer Mitarbeiter dauert lange, während Standardanfragen wertvolle Ressourcen für wichtigere Aufgaben in Anspruch nehmen. Intelligente Chatbots und Voice-Assistenten übernehmen Routineanfragen und lernen kontinuierlich aus neuen Interaktionen. Eskalieren komplexe Fälle, übergeben sie automatisch an menschliche Mitarbeiter. Dies steigert die Effizienz, ohne die Kundenzufriedenheit zu gefährden.
Produktentwicklung nutzt KI-gestützte Analysen
Die Entwicklung neuer Produkte basiert oft auf Annahmen statt auf Daten, da Kundenfeedback zu spät einfließt. Da auch Markttrends zu langsam erkannt werden, kommt es zu Fehlentwicklungen und verzögerten Markteinführungen. KI-Systeme analysieren hier Kundenfeedback, Marktdaten und Trends in Echtzeit. Sie identifizieren Verbesserungspotenziale und prognostizieren Marktchancen, wodurch Entwicklungsteams datenbasierte und damit fundierte Entscheidungen treffen können.
Personalwesen automatisiert Recruiting
Die Vorauswahl geeigneter Kandidaten bindet HR-Ressourcen, da die Sichtung von Lebensläufen manuell erfolgt. Qualifikationen und Anforderungen stimmen oft nicht überein, was die Zeit bis zur Stellenbesetzung verlängert. KI-gestützte Recruiting-Tools analysieren Bewerbungsunterlagen automatisch, gleichen Qualifikationen mit Anforderungsprofilen ab und erstellen Kandidaten-Rankings. HR-Manager konzentrieren sich dann auf die vielversprechendsten Bewerber.
Finanzen optimieren Liquiditätsplanung
Traditionelle Finanzplanung basiert auf historischen Daten, externe Faktoren fließen dabei meist zu wenig ein. Liquiditätsengpässe werden daher zu spät erkannt, was die finanzielle Stabilität gefährden kann. Mithilfe von KI verarbeitet Finanzsoftware dagegen interne und externe Daten in Echtzeit. Sie erkennt Trends, prognostiziert Entwicklungen und warnt frühzeitig vor Risiken. Kurz: Finanzentscheider reagieren mit ihrer Hilfe proaktiv statt reaktiv.
RAG verbindet Datenbanken mit KI
Moderne Geschäftsprozesse sind komplex. KI-gestützte Workflow-Frameworks helfen bei komplexen Geschäftsprozessen, sie integrieren generative KI als zentrale Komponente und automatisieren komplexe Abläufe. Die Frameworks lassen sich flexibel an neue Anforderungen anpassen, und zu den zentralen Techniken in diesen Szenarien gehört „Retrieval Augmented Generation“ (RAG). RAG erweitert die Fähigkeiten großer Sprachmodelle, indem externe Daten in den Generierungsprozess einfließen.
Anders als bei der klassischen Nutzung von künstlicher Intelligenz der Marke ChatGPT sind die Trainingsdaten der KI hierbei nicht die zentrale Wissensquelle, sondern dienen lediglich zur Vermittlung zwischen dem, was ein Benutzer wissen möchte, und einer Datenbank. Dabei kann es sich zum Beispiel um eine bereits existierende Datensammlung im Unternehmen handeln.
Als klassisches Beispiel für den Einsatz von RAG gilt ein Webshop, der über ein Chat-Fenster für die Interaktion mit Besuchern verfügt. Wenn nun ein potenzieller Kunde beispielsweise „Ich brauche einen Wein im mittleren Preissegment, der gut zu Fisch passt“ eingibt, dann übersetzt die KI diesen Wunsch in eine Datenbankanfrage, die die gewünschten Produkte durch Vergleich mit den gespeicherten Daten herausfiltert und dem Kunden präsentiert. Die KI braucht dazu neben einem Grundverständnis für sprachliche Interaktion ein Wissen über die Struktur der verwendeten Datenbank, die man ihr in einem speziellen Training einmalig vermitteln muss.
Komplexe RAG-Workflows für Unternehmen beinhalten zusätzlich Web-Recherche, Themenanalyse und Qualitätsbewertung. Dies ermöglicht präzisere und verlässlichere Antworten auf Geschäftsanfragen.

Fazit
Die Integration von KI in Geschäftsprozesse erfordert eine systematische Herangehensweise. Unternehmen sollten schrittweise vorgehen und mit konkreten Anwendungsfällen beginnen, um den vollen Nutzen der Technologie kennenzulernen und zu entfalten. Erfolgreiche Unternehmen identifizieren zunächst die vielversprechendsten Einsatzgebiete, implementieren Lösungen schrittweise und messen den konkreten Nutzen. Die RAG-Technologie bildet dabei in vielen Fällen die zentrale Grundlage für intelligente Business-Workflows, weshalb sich die Entwickler in Firmen unbedingt mit RAG beschäftigen sollten.
Marco Frodl ist Principal Consultant für generative KI bei der Thinktecture AG, er verfügt über große Expertise in den fortschrittlichsten Bereichen der künstlichen Intelligenz. Seine Schwerpunkte liegen auf KI-Prozessen, die OpenAIs Generative Pre-Trained Transformer-Modelle (GPTs) und Community-getriebene LLMs nutzen. Durch seine langjährige Erfahrung in vielen Bereichen hat Frodl eine ganzheitliche Perspektive auf die technologische Transformation von Unternehmen entwickelt.
Bei der Thinktecture AG handelt es sich um ein Unternehmen, das Softwareentwickler und Architekten dabei unterstützt, moderne Technologien effektiv in ihren Projekten einzusetzen. Dabei liegt der Fokus auf Wissenstransfer und praktischer Unterstützung durch Architekturberatung, Coaching, Workshops und gemeinsame Entwicklung von Prototypen, vor allem auch in kritischen Phasen von Softwareentwicklungsprojekten.
Autor: Markus Schraudolph