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Kreislaufwirtschaft und IT: Vom Problem zur Chance

Unendliches Wachstum ist auf einem endlichen Planeten nicht möglich. Die IT-Industrie sucht deshalb nach Wegen, die Digitalisierung als Kreislaufwirtschaft zu gestalten. Rechenzentren spielen dabei eine Schlüsselrolle.

Der „Tag der Erderschöpfung“ („Earth Overshoot Day“), an dem die natürlich nachwachsenden Ressourcen des gesamten Jahres aufgebraucht sind, rückt im Kalender immer weiter vor. In den 1970er Jahren lag er noch im Dezember, in den 1990er Jahren dann bereits im Oktober. In diesem Jahr fällt er auf den 24. Juli!

Wesentliche Ursache für diese Übernutzung des Planeten ist die lineare Wirtschaft, die auf dem Prinzip „Take-Make-Waste“ beruht. Bei diesem Ansatz werden Rohstoffe gewonnen (Take), zu Produkten verarbeitet (Make) und diese am Ende ihres Lebenszyklus als Abfall (Waste) entsorgt. Die Folgen dieser Wirtschaftsform für Natur, Umwelt, Klima und Gesundheit sind gravierend. Laut dem „Circularity Gap Report 2025“ sind die nicht nachhaltige Gewinnung und Nutzung von Materialien für zwei Drittel der Treibhausgasemissionen und über 90 Prozent des Biodiversitätsverlusts verantwortlich.

Ein systemischer Wechsel hin zu einer Kreislaufwirtschaft ist deshalb dringend geboten. Sie orientiert sich an den Stoffkreisläufen der Natur, in denen nichts verloren geht und alles wiederverwendet wird. Im Gegensatz zum linearen Modell zielt die Kreislaufwirtschaft darauf ab, den Wert von Produkten, Komponenten und Materialien so lange wie möglich zu erhalten. An erster Stelle steht dabei die Vermeidung von Abfällen. Produkte sollten robust, erweiterbar, reparierbar und wiederverwendbar sein, um sie möglichst lange nutzen zu können. Am Ende ihres Lebenszyklus sollten sie leicht in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden können. Das gelingt am besten, wenn sie modular aufgebaut sind und aus möglichst wenigen, sortenreinen Rohstoffen bestehen, die sich einfach trennen und wiederverwenden lassen.

Wie Rechenzentren zukunftsfähig werden

Die Digitalisierung kann wesentlich dazu beitragen, die Erdbelastung zu reduzieren und eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Homeoffice und Videokonferenzen machen Autofahrten und Flugreisen überflüssig und verkleinern so den CO₂-Fußabdruck von Unternehmen und Beschäftigten. Produktion und Handel können mithilfe von Big Data und künstlicher Intelligenz (KI) ihre Lieferketten optimieren, was den Kraftstoffverbrauch und damit auch den CO₂-Ausstoß im Güterverkehr reduziert. Intelligente Gebäudesysteme steuern Beleuchtung, Heizung, Lüftung und Klimaanlagen abhängig von der Anzahl anwesender Personen, der Außentemperatur und dem Tageslicht. So wird Energie nur dann verbraucht, wenn sie wirklich benötigt wird. Digitale Marktplätze können die Rückführung und Wiederverwendung von Produkten erleichtern und so die Kreislaufwirtschaft fördern – um nur einige Beispiele zu nennen.

Allerdings erzeugt der ITK-Sektor selbst einen erheblichen und ständig steigenden Bedarf an Rohstoffen und Energie. Vor allem die zunehmende Nutzung von KI droht, die Vorteile der Digitalisierung für Klima und Umwelt zunichtezumachen (siehe dazu auch „Wie KI den Energieverbrauch explodieren lässt“). Allein der Stromverbrauch von Rechenzentren in Deutschland liegt aktuell bei zirka 20 Terawattstunden pro Jahr und könnte sich nach Angaben der Bundesregierung bis 2045 mehr als vervierfachen.

Drei Wege zu mehr Nachhaltigkeit

Rechenzentren müssen nachhaltiger werden, das fordern nicht zuletzt gesetzliche Initiativen und Vorgaben wie der European Green Deal und die Energieeffizienzrichtlinie der Europäischen Union oder das deutsche Energieeffizienzgesetz (EnEfG). Für die Nachhaltigkeit eines Rechenzentrums spielen vor allem folgende drei Wege eine entscheidende Rolle:

Leistungsdichte und Energieeffizienz erhöhen: Je mehr Leistung ein Server pro Prozessor (Central Processing Unit, CPU) und Watt liefert, desto weniger IT-Systeme und Energie sind notwendig, um die Aufgaben in einem Rechenzentrum zu bewältigen. Eine geringere Serverzahl und eine hohe Serverdichte verringern die Platzanforderungen, reduzieren den Kühlungsbedarf, minimieren den Wartungsaufwand und senken die Lizenzkosten. Ein Server-Austausch kann deshalb entscheidend zur Nachhaltigkeit eines Rechenzentrums beitragen. Mit den AMD EPYC 9005 Prozessoren der 5. Generation lässt sich beispielsweise dieselbe Leistung mit bis zu 86 Prozent weniger Racks abdecken als mit älterer Hardware. Wie hoch die Reduktion an klimaschädlichen Gasen dabei ausfällt, kann mit dem AMD EPYC Server Virtualization and Greenhouse Gas Emissions TCO Estimation Tool abgeschätzt werden.

Strombezug auf erneuerbare Energien umstellen: Rechenzentren sind durch §11 EnEfG dazu verpflichtet, 50 Prozent ihres Strombedarfs aus erneuerbaren Energien zu decken. Bis 2027 steigt diese Quote auf 100 Prozent. Rechenzentrumsbetreiber haben mehrere Möglichkeiten, diese Anforderungen zu erfüllen. Sie können beispielsweise über sogenannte Herkunftsnachweise dokumentieren, dass der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Herkunftsnachweise stehen allerdings in der Kritik, da sie keine Informationen darüber liefern, wie umweltschonend die Erzeugung war. Außerdem ist das Zertifikatssystem nicht ausreichend gegen Missbrauch geschützt, sodass Herkunftsnachweise mehrfach verkauft werden können. Es ist deshalb besser, Strom über langfristige Lieferverträge (Power Purchase Agreements, PPA) direkt aus Windkraft- oder Solaranlagen einzukaufen oder ihn selbst zu erzeugen, etwa indem Solarpanels auf dem Dach des Rechenzentrums installiert werden. Auch eine smarte Stromnutzung, bei der die Leistung des Rechenzentrums flexibel auf das aktuelle Angebot an erneuerbaren Energien abgestimmt wird, kann zu einer besseren Ökobilanz führen.

Abwärme nutzen: Die von Servern und anderen IT-Systemen im Rechenzentrum erzeugte Wärme wurde bislang meist ungenutzt in die Umgebung abgegeben. Laut EnEfG müssen neue Rechenzentren ab 2026 einen Anteil von mindestens 10 Prozent der eingesetzten Energie wiederverwendbar machen, ab 2028 sind es sogar 20 Prozent. Die Abwärme kann direkt zur Heizung von Wohnungen oder Bürogebäuden, zur Warmwasserbereitung oder zur Einspeisung in Fern- und Nahwärmenetze genutzt werden. Die klassische Luftkühlung über Klimaanlagen ist dafür allerdings wenig geeignet, da die Temperatur der Abluft nur zwischen 30 °C und 40 °C liegt. Nahwärmenetze benötigen jedoch Temperaturen von 60 °C bis 70 °C, Fernwärmenetze sogar bis zu 130 °C. Es ist daher empfehlenswert, auf eine Flüssigkeitskühlung umzustellen, die wesentlich höhere Rücklauftemperaturen ermöglicht.

Kreislaufwirtschaft im Rechenzentrum – ein Beispiel aus der Praxis

Wie Rechenzentren energieeffizient und ressourcenschonend betrieben werden können, zeigt das Data Center der Bank BNP Paribas in der Nähe von Stockholm. Bei der Auswahl der Ausrüster und Zulieferer erhielten CSR-Kriterien (Corporate Social Responsibility) einen wesentlich höheren Stellenwert als in bisherigen Ausschreibungen der Bank. Statt wie bislang zu fünf Prozent trugen sie in diesem Projekt zu 40 Prozent zur Entscheidung bei.

Um den Footprint im Rechenzentrum so gering wie möglich zu halten, kommen hochleistungsfähige Dell PowerEdge C6525 High-Performance Server mit energieeffizienten AMD EPYC Prozessoren zum Einsatz. Ein Flüssigkeitskühlungssystem (Direct Liquid Cooling, DLC) führt die Abwärme der über 400 Server ab. Die operative Effizienz des Rechenzentrums konnte so um 30 Prozent verbessert werden.

Die Energieversorgung ist klimaneutral, da ausschließlich erneuerbare Energieträger zum Einsatz kommen. Bis zu 85 Prozent der Abwärme werden wiederverwendet und für das Heizen von bis zu 20.000 Wohnungen genutzt. Der Betreiber des Rechenzentrums, atNorth, kühlt die Server mit einer Wärmepumpe statt mit einer konventionellen Kälteanlage. Dadurch ist es möglich, die Abwärme in einem Temperaturbereich abzuführen, der vom Energieversorger Stockholm Exergi für die Beheizung der Wohnungen verwendet werden kann.

Fazit: Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft sind keine Gegensätze

Traditionelle Rechenzentren tragen durch ihren hohen Energie- und Ressourcenverbrauch signifikant zum Klimawandel und zur Umweltbelastung bei. Deshalb ist die Transformation vom „Take-Make-Waste“-Ansatz hin zu einem nachhaltigen Betrieb im Sinne einer Kreislaufwirtschaft unabdingbar. Es liegt nun bei den Herstellern und Rechenzentrumsbetreibern, die notwendigen Schritte einzuleiten und die Digitalisierung als Motor für eine nachhaltige Zukunft zu nutzen.

AMD hat beispielsweise seine Produktion von Grund auf neu gestaltet, um den Ressourceneinsatz über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg zu optimieren und die Abfallmenge bei der Herstellung, Nutzung und beim Recycling zu minimieren. Zu den wichtigsten Designentscheidungen gehörten der Umstieg auf eine modulare Architektur, die Optimierung der Wafer als Substrat für die Chipherstellung, die Verwendung recycelter Materialien, die Reduktion gesundheitsgefährdender Stoffe und die Umstellung auf nachhaltige Produktverpackungen. Welche Fortschritte dabei bisher erzielt wurden, hat das Unternehmen im 2024-2025 Corporate Responsibility Report dokumentiert.